Zum „Kaskadenverweis“ weist das Hanseatische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 27.01.2021 darauf hin, dass das Urteil des EuGH vom 26.03.2020 (C-66/19) in Bezug auf grundpfandrechtlich besicherte Immobiliardarlehensverträge nicht einschlägig ist
Im Nachgang zur Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs in den Beschlüssen vom 27.10.2020, XI ZR 525/19 und XI ZR 498/19 zeigt das Hanseatische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 27.01.2020 seine Absicht an, die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 21.08.2020, 330 O 14/19, zurückzuweisen. Das Hanseatische Oberlandesgericht stützt hierdurch das Landgericht Hamburg, welches erstinstanzlich entschieden hatte, dass der klagende Darlehensnehmer seine auf den Abschluss eines im September 2011 geschlossenen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrages gerichtete Willenserklärung nach Ablauf der 14-tägigen Frist nicht mehr widerrufen konnte.
Das Hanseatische Oberlandesgericht verweist darauf, dass die von dem beklagten Kreditinstitut erteilte Widerrufsinformation in der Lage war, die Widerrufsfrist in Lauf zu setzen. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Beklagte den Musterschutz gem. Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB in der dort maßgeblichen zwischen dem 04.08.2011 und dem 12.06.2014 geltenden Fassung für sich in Anspruch nehmen kann. Die vom Kreditinstitut erteilte Widerrufsinformation war klar und verständlich und genügte den gesetzlichen Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB a.F..
In Bezug auf die im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020, C-66/19, kontrovers diskutierte Beanstandung, die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist sei durch den Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB als „Kaskadenverweisung“ ausgestaltet und dadurch nicht im Sinne der europarechtlichen Vorgaben hinreichend klar und deutlich, verweist das Hanseatische Oberlandesgericht auf die existierenden höchstrichterlichen Befunde im Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 31.03.2020, XI ZR 581/18. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020, C-66/19, ist auf Sachverhalte, bei denen grundpfandrechtlich besicherte Immobiliardarlehensverträge widerrufen werden, nicht einschlägig. Auf Immobiliardarlehensverträge findet die Verbraucherkreditrichtlinie nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und c – so das Hanseatische Oberlandesgericht unter Verweis auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 31.03.2020, XI ZR 581/18 m.w.N. - keine Anwendung.
Nachdem der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur „Kaskadenverweisung“ in den Beschlüssen vom 27.10.2020, XI ZR 498/19 und XI ZR 525/19, ausdrücklich nur im Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie und explizit nur im Hinblick auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge aufgegeben hat, betont das Hanseatische Oberlandesgericht zu Recht die gleichwohl fortbestehenden und in Bezug auf Immobiliardarlehensverträge ergangenen Feststellungen des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 31.03.2020, XI ZR 581/18; danach bestätigt durch Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.06.2020, XI ZR 381/19.
„Mit diesem Hinweis leistet das Hanseatische Oberlandesgericht einen klarstellenden Beitrag auf dem Weg zur Rechtssicherheit für die Parteien von widerrufenen Immobiliardarlehensverträgen im Anschluss an die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020, C-66/19, anhaltende Diskussion“, so Rechtsanwältin Justyna Lidia Niwinski, Senior Associate bei SNB, die das beklagte Kreditinstitut vertreten hat.