Überraschungsentscheidung des XI. Zivilsenates: Gründungsgesellschafter haften im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nicht für vorvertragliche Pflichtverletzungen

Der Bundesgerichtshof hat sich mit Beschluss vom 19.01.2021 (XI ZB 35/18) im Rahmen eines Musterklageverfahrens von der bisherigen Rechtsprechung des II. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes abgegrenzt und eine Haftung von Gründungsgesellschaftern unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, soweit eine spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß § 13 Verkaufsprospektgesetz, §§ 44 ff. Börsengesetz (in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung) gegeben ist. In diesem Fall verdränge die spezialgesetzliche Prospekthaftung die allgemeinen Vorschriften des BGB.

In seinem Beschluss hat der XI. Senat festgestellt, dass § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. auch für den sogenannten Hintermann eines Prospektes gilt. Der Hintermann ist prospektverantwortlich, wenn er auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospektes verantwortlich ist. Nach diesen Grundsätzen hält der Bundesgerichtshof Gründungsgesellschafter für Hintermänner und damit im Sinne von § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. für den Prospekt verantwortlich. Eine Haftung wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung – die sogenannte Prospekthaftung im weiteren Sinne – kommt dann für den Gründungsgesellschafter nicht mehr in Betracht. Für die bis zum 31.05.2012 abgeschlossenen Sachverhalte ist von einer Verjährung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung auszugehen.

Bemerkenswert ist diese Entscheidung, weil hierdurch die jahrzehntelange Rechtsprechung des II. Zivilsenates zur Prospekthaftung im weiteren Sinne von Gründungsgesellschaftern (z.B. Urteil vom 23.04.2012, II ZR 211/09, Rn. 10) ausgehebelt wird.

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