Neue Tücken beim E-Mail-Versand

E-Mails sind praktisch. Sie sind einfach und schnell. Bei Eingabe der korrekten Empfängeradresse ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Empfänger sie auch erhält. Bei dem E-Mail-Versand von rechtserheblichen Erklärungen gibt es jedoch zu vermeidende Tücken. Das OLG Hamm (Beschluss vom 09.03.2022 – 4 W 119/20) und der BGH (Beschluss vom 18.11.2021 – I ZR 125/21) haben die Liste an Fallstricken kürzlich noch einmal erweitert.

Zunächst ist es so, dass eine E-Mail der Textform (§ 126b BGB), nicht jedoch der Schriftform (§ 126 BGB) entspricht. Per E-Mail versandte Erklärungen, für die die Schriftform vorgeschrieben ist (z. B. die Kündigung von Miet- und Arbeitsverhältnissen, §§ 568, 623 BGB), sind daher formnichtig (§ 125 BGB).

Eine wirksam per E-Mail versandte Erklärung ist eine Erklärung unter Abwesenden, die mit Zugang beim Empfänger wirksam wird (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang beim Empfänger trägt der Erklärende. Die Anforderungen an den Zugangsnachweis wurden durch o. g. Beschlüsse vom OLG Hamm und vom BGH nunmehr konkretisiert und erhöht. Nachfolgend stellen wir Ihnen die Beschlüsse vor (I. und II.) und geben Ihnen Praxistipps (III.).

I. Vorsicht beim Versand von Schreiben in Dateianhängen – OLG Hamm

Im Ausgangsfall versandte der Rechtsanwalt eines Internetversandhändlers an einen anderen Internetversandhändler per E-Mail ein wettbewerbsrechtliches Abmahnschreiben. Dem Empfänger war der Rechtsanwalt nicht bekannt. Der E-Mail-Betreff enthielt nur das Aktenzeichen des Rechtsanwalts. In dem E-Mail-Text stand lediglich, dass man die anhängenden Schreiben ausschließlich per E-Mail versende. Die Dateianhänge waren zwei pdf-Dateien: zum einen das Abmahnschreiben, zum anderen der Entwurf für eine strafbewehrte Unterlassungserklärung.

Im gerichtlichen Verfahren hat der Empfänger sich darauf berufen, das Abmahnschreiben und den Unterlassungserklärungsentwurf nicht erhalten zu haben. Zu Recht, wie das OLG Hamm annahm. Wenn ein Schreiben als Dateianhang versendet wird, geht es erst mit tatsächlicher Kenntnisnahme durch den Empfänger zu. Also dann, wenn der Dateianhang geöffnet wird. Aufgrund des Risikos von Spam-E-Mails und dem daraus resultierenden Virenrisiko, kann von einem E-Mail-Empfänger nicht verlangt werden, Dateianhänge von unbekannten Absendern zu öffnen.

II. Pflicht zur Nutzung von Lesebestätigungen – BGH

Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine Rechtsanwältin mit ihrer Mandantin übereingekommen war, dass die Mandantin intern prüft, ob gegen eine vorinstanzliche Entscheidung Revision eingelegt werden sollte. Während des Fristlaufes hatte die Rechtsanwältin mehrfach daran erinnert. Am Tag vor Fristablauf war die Mandantin zu dem Entschluss gekommen, Revision einzulegen. Der Prokurist wollte eine entsprechende E-Mail an die Rechtsanwältin senden. Ob der Prokurist die E-Mail tatsächlich versandte, ließ sich nicht aufklären. Jedenfalls hatte die Anwältin keine E-Mail erhalten. Am Tage des Fristablaufes hat die Rechtsanwältin eine E-Mail an die Mandantin gesandt, in der sie auf den drohenden Fristablauf hingewiesen hat. Diese E-Mail kam jedoch, vermutlich aus technischen Gründen, nicht bei der Mandantin an.

Infolgedessen wurde die Revision nicht rechtzeitig eingelegt. Die Rechtsanwältin hat daraufhin Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt mit der Argumentation, dass die Frist unverschuldet – aus technischen Gründen – versäumt wurde.

Der BGH hat den Antrag zurückgewiesen. Als Begründung hat er angeführt, dass die Frist schuldhaft versäumt wurde. Für der Fristwahrung dienende E-Mails verlangt es die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, diese mit einer Aufforderung zur Lesebestätigung zu versehen. Nur auf diese Weise genügt ein Rechtsanwalt der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, den Zugang sicherzustellen.

III. Praxistipps

Den Zugang von E-Mails darzulegen und zu beweisen ist schwierig. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere dann, wenn es darauf ankommt, E-Mails außergewöhnlich oft (aus technischen Gründen) nicht, nur unvollständig oder leer (d. h. ohne Inhalt) ankommen, die E-Mail vom Spam-Filter in den Spam-Ordner verschoben wurde oder der Empfänger die E-Mail für eine Spam-E-Mail gehalten hat.

Die Entscheidung des OLG Hamm, wonach nicht erwartet werden könne, dass Anhänge unbekannter Absender geöffnet würden, mag zwar realitätsnah sein, erschwert aber den Nachweis des Zugangs zusätzlich. Es muss daher vermieden werden, dass der Empfänger die E-Mail mit einer Spam-E-Mail verwechseln kann. Dringend anzuraten ist insoweit, bei dem Versand von Schreiben im Dateianhang im Text der E-Mail nicht lediglich auf den Dateianhang zu verweisen, sondern den Inhalt des Anhangs zusätzlich auch im E-Mail-Text und -Betreff zu umreißen. Je nach Wichtigkeit des Schreibens kann es auch angezeigt sein, das Schreiben zusätzlich per Post zu versenden – ggf. sogar als Einschreiben mit Rückschein.

Sofern eine (gerichtliche) Frist gewahrt werden muss, empfehlen wir zusätzlich, entsprechende E-Mails nur mit einer Lesebestätigung abzusenden. Zusätzlich ist es ratsam, sich telefonisch beim Empfänger nach dem Erhalt der E-Mail zu erkundigen.

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne!

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