Im Lichte des BGH vom 27.04.2021, XI ZR 26/20 zur Unwirksamkeit von Klauseln mit „Zustimmungsfiktion“ - Neues Urteil des Landgerichts Flensburg zu Zinsanpassungen und Neuabrechnungen von Kontokorrentkonten und deren Verjährung
In einem vor dem Landgericht Flensburg geführten Rechtstreit begehrte der Kläger die Korrektur vermeintlich fehlerhafter Zinsanpassungen, Wertstellungen, und Entgelte in einem seit Jahrzehnten geführten Kontokorrentkonto. Die Ansprüche begründete der Kläger unter Verweis auf die Ergebnisse eines vorprozessual erstellten Privat-Gutachtens. Mit Urteil vom 16.04.2021 wies das Landgericht Flensburg die Klage ab. Die Kammer folgt damit der Rechtsauffassung von SNB, die das beklagte Kreditinstitut vertreten hat, und bestätigt insbesondere, dass die erhobene Einrede der Verjährung greift.
Mit der Entscheidung stellte die 3. Kammer klar, dass der Kläger unter „keinem rechtlichen Gesichtspunkt“ einen Anspruch auf Kontogutschrift nach Neuabrechnung des Kontokorrentkontos hat. Insbesondere scheidet der Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 2 BGB wegen ungerechtfertigter Bereicherung aufgrund von Einzelbuchungen aus.
„In diesem Rechtsstreit setzten wir uns mit Detailfragen der Verjährung, insbesondere im Hinblick auf Saldofeststellungen, abstrakte Schuldanerkenntnisse i.S.d. §§ 781, 782 BGB auseinander“, so Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Dr. Einar Recknagel, Partner bei SNB. „Das Landgericht Flensburg folgt unserer Rechtsauffassung und führt aus, dass die Kondiktion eines Schuldanerkenntnisses nur Folgen für die späteren Saldoanerkenntnisse hat, auf zuvor abgegebene Anerkenntnisse hingegen ohne Auswirkungen bleibt. Unter Verweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.04.2009, XI ZR 78/08 führt die Kammer aus, dass die Erhebung einer Klage spätestens zu diesem Zeitpunkt zumutbar gewesen wäre, was wiederum für den Verjährungsbeginn relevant ist.“
Die Rechtsausführungen des Landgerichts Flensburg sind auch im Hinblick auf das Urteil des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 27.04.2021, XI ZR 26/20, von Bedeutung. Darin entschied der Bundesgerichtshof, dass die Regelung in Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken (Nr. 2 Abs. 1-3 AGB- Sparkassen) und Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken (Nr. 17 Abs. 6 AGB- Sparkassen) der AGB-Kontrolle unterliegen und unwirksam sind. Die bisher langjährig durch Kreditinstitute, Sparkassen aber auch durch Versicherungen praktizierte „Zustimmungsfiktion“, d. h. das Schweigen des Kunden wurde durch die vorherige Zustimmung zu den AGB ausnahmsweise als Zustimmung auf mitgeteilte Vertragsänderung, bankseitige Anpassungen von Entgelten und bestimmte Zinssätze gewertet, ist damit nicht mehr zulässig.
Die genauen Entscheidungsgründe des Urteils vom 27.04.2021, XI ZR 26/20 werden in Fachkreisen abgewartet. Schon jetzt steht allerdings fest, dass die Branche mit erheblichem Mehraufwand rechnen muss. Sowohl auf die Institute, aber eben auch auf die Kunden kommt erhöhter Bürokratieaufwand zu, dies zumal die Kunden schon heute kündigen können, falls Sie mit den angezeigten Änderungen nicht einverstanden sind.
„Für den Fall von drohenden Rückforderungen im Hinblick auf erfolgte Abschlüsse stehen den Kreditinstituten diverse Rechtsinstitute parat. Dies auch, weil Kunden etwaige Verträge tatsächlich unter geänderten Bedingungen vollzogen haben“, so Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht Justyna Lidia Niwinski, Senior Associate bei SNB. „Für eine seriöse Prüfung bleibt zunächst die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe durch den Bundesgerichtshof abzuwarten“.
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