BNetzA schlägt neue Abschreibungsregeln für Gasnetzbetreiber vor

Bis zur umfassenden Neugestaltung des Regulierungsrahmen zum Beginn der fünften Regulierungsperiode soll übergangsweise eine „Festlegung KANU 2.0“ das Abschreibungsregime für Gasnetze (Fernleitungs- und Verteilnetze) regeln. Mit ihrem hierzu am 06.03.2024 vorgestellten Eckpunktepapier („Eckpunktepapier zu den Abschreibungsmodalitäten für die Gasnetztransformation“) stellt die Große Beschlusskammer der BNetzA (im Folgenden: BNetzA) nun zwei Abschreibungsmodelle der Branche vor, von denen eines zwischen 2025 bis einschließlich 2027 verbindlich werden soll. Bis zum 28.03.2024 kann hierzu Stellung genommen werden.

Inhaltlich verfolgt die BNetzA mit dem Eckpunktepapier das Ziel, die auf den Netzebenen und lokal mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voranschreitende Dekarbonisierung der Gasnetze regulatorisch abzubilden. Netzbetreiber sollen vor dem Hintergrund des Ausstiegs aus der Erdgasversorgung ihre Investitionen vollständig amortisieren können. Gleichzeitig sollen die Kosten in zeitlicher Hinsicht so verteilt werden, dass die auf der Basis dieser Kosten gebildeten Netzentgelte die Netznutzer nicht unnötig belasten, insbesondere in den letzten Nutzungsjahren. Hier soll das Eckpunktepapier zusammengefasst und kurz bewertet werden.

1.      Vorfrage: umfasste Anlagegruppen

Die BNetzA möchte nicht alle Gruppe aus der Anlage 1 GasNEV in den Anwendungsbereich dieser Festlegung fallen lassen. Beispielhaft für eine nicht in den Anwendungsbereich fallende Anlagengruppe nennt sie die Anlagen der Gruppe I (Allgemeine Anlagen) und ausdrücklich die darin enthaltenen Verwaltungsgebäude.

2.      Abschreibungsmodelle

Die BNetzA stellt zwei alternative Abschreibungsmodelle vor, von denen nur eine in die Festlegung aufgenommen werden soll (S. 2).

a)     „Wahlmodell“

Das als „Wahlmodell“ vorgestellte Abschreibungssystem besteht aus zwei Abschreibungsmethoden, die für jedes Anlagegut für sämtliche Zugangsjahre zur Auswahl stehen. Danach haben Netzbetreiber die Wahl zwischen einer degressiven und einer linearen Abschreibung. Bei der degressiven Abschreibung soll ein Abschreibungssatz in Höhe von 15 % jeweils bezogen auf den Restwert zum Jahresende des Vorjahres gelten, bis die jährliche Abschreibung nach der linearen Methode größer ausfällt, auf die dann umzustellen ist. Alternativ kann ein Anlagegut von Anfang an linear bezogen auf die erwartete Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Hierfür verweist die BNetzA auf die erste KANU-Festlegung (BNetzA, Beschluss v. 08.11.2022 – Az. BK9-22/614). Hat der Netzbetreiber für ein Anlagegut eine Abschreibungsmethode ausgewählt, kann er diese Auswahl grundsätzlich nicht ändern (Prinzip der Stetigkeit). Hiervon können begründete Ausnahmefälle zugelassen werden. Netzbetreiber sollen aktuell ihre Methodenwahl gegenüber der BNetzA nicht begründen müssen, die BNetzA behält sich ein späteres Begründungserfordernis aber ausdrücklich vor (S. 3).

b)     „Korridormodell“

Als Alternative zum „Wahlmodell“ schlägt die BNetzA das „Korridormodell“ vor. Für jede Anlagegruppe und jedes Zugangsjahr wird danach ein minimaler und eine maximaler Abschreibungswert ermittelt. Innerhalb des sich aus dem minimalen und maximalen Abschreibungswert ergebenden Korridors dürfen Netzbetreiber einen Wert festlegen, wobei auch hier grundsätzlich das Prinzip der Stetigkeit gilt. Der Maximalwert erlaubt eine lineare Abschreibung innerhalb von 10 Jahren ab 01.01.2025. Den Minimalwert bildet der bisherige Abschreibungsbetrag ausgehend von den Nutzungsdauern aus Anlage 1 GasNEV. Liegt der Minimalwert oberhalb des Maximalwertes, ist der Minimalwert anzusetzen, wodurch eine längere Abschreibung als nach Anlage 1 GasNEV ausgeschlossen wird.

3.      Prinzip der Stetigkeit

Grundsätzlich soll das Prinzip der Stetigkeit gelten und nur bei begründeten Ausnahmefällen durchbrochen werden dürfen. Als Beispiele für begründete Ausnahmefälle nennt die BNetzA Erkenntnisse über die Entwicklung der Netznutzung aufgrund Prognosen zur kommunalen Wärmeplanung oder einer geänderten Prognose alternativer Verwendungsmöglichkeiten, z.B. zur Wasserstoffverteilung.

4.      Sonderabschreibungen

Sonderabschreibungen gegen Ende der Nutzungsdauer werden nicht ausgeschlossen (S. 5). Allerdings sollen diese erst nach einer kritischen Prüfung im Einzelfall möglich sein. Die BNetzA möchte damit dem Fehlanreiz eines höheren Gewinns durch eine langsame Abschreibung der Investitionen entgegenwirken. Damit müssen Abschreibung, die auf eine Weiternutzung des Netzes als Wasserstoffnetz gerichtet sind, von Netzbetreibern sachlich begründet werden, wenn eine Weiternutzung nicht umgesetzt und deshalb Sonderabschreibungen nötig werden.

5.      Zeitrahmen und Umsetzung

Übergangsweise (bis einschließlich 2027) soll ein „Transformationselement“ eingeführt werden. Für Neuanlagen (Zugangsjahre 2021 bis einschließlich 2027) könnte die Änderung durch die neuen Abschreibungsmethoden über den Kapitalkostenaufschlag (Antrag zum 30.6.) oder unmittelbar bei der Entgeltkalkulation durch die Netzbetreiber zum jeweils nächsten 1.1. übernommen werden.

Für Bestandsanlagen (Zugangsjahre bis einschließlich 2020) könnten die Erlösobergrenzen für die vierte Regulierungsperiode durch einen rechnerischen Zuschlag angepasst werden. Dieser besteht aus der Differenz der kalkulatorischen Abschreibungen auf Basis der neuen Abschreibungsmethode zu den in der Festlegung enthaltenen kalkulatorischen Abschreibungen (unter Beachtung des Kapitalkostenabzugs) abzüglich der verringerten kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung und Gewerbesteuer. Verfahrensseitig ist für die BNetzA sowohl ein Antragsverfahren oder auch eine unmittelbare Anpassung der Netzentgelte durch die Netzbetreiber und eine Kontrolle im Rahmen der Genehmigung der Regulierungskontosaldos denkbar.

6.      Bewertung

Das Eckpunktepapier sieht eine zügige und unbürokratische Abbildung der verkürzten Nutzungsdauern vor und gibt den Netzbetreibern die notwendige Flexibilität, um sich an die im jeweiligen Netzgebiet und auf der jeweiligen Netzebene verschiedenen Anforderungen anzupassen. Zuzustimmen ist auch dem Ziel der BNetzA, für Netznutzer möglichst konstante Netzentgelte zu erreichen, indem sie eine schnelle Abschreibung der Investitionen ermöglicht, solange noch relativ viele Kunden über das Netz der allgemeinen Versorgung Erdgas beziehen. Hierfür sollen Netzbetreiber bereits ab 2025 die Möglichkeit erhalten, die Abschreibungsdauer von der erwarteten Nutzungsdauer entkoppeln zu können.

Die degressive Abschreibung („Wahlmodell“) führt bei einem pauschal bestimmten Abschreibungssatz von 15 % dazu, dass mehr die Hälfte der Restwerte innerhalb der ersten fünf Jahre amortisiert werden können. Die Dauer der Abschreibung hängt davon ab, wann die Umstellung auf die lineare Methode erfolgt. Beim Korridormodell können exakt die Hälfte der Restwerte innerhalb von fünf Jahren amortisiert werden. Die schnellstmögliche Abschreibungsdauer beträgt dabei 10 Jahre, sofern die Abschreibungsdauer nach Anlage 1 GasNEV nicht früher endet. Durch beide Modelle kann einem zu starken Anstieg der Netzentgelte in den letzten Jahren der leitungsgebundenen Erdgasversorgung entgegengewirkt werden.

Das „Korridormodell“ eignet sich mit einer kürzesten Abschreibungsdauer von 10 Jahren nur für die Übergangszeit. Denn noch kürzere Abschreibungsdauern werden erforderlich, je näher die Stilllegung der Gasnetze rückt. Zugleich muss für jedes Anlagegut eine Prognose hinsichtlich einer möglichen Weiternutzung und einer hieran angepassten Abschreibung möglich sein, was das „Korridormodell“ nicht erlaubt. Es ist deshalb anzunehmen, dass die BNetzA beim Korridormodell von einem reinen Übergangsmodell bis zur fünften Regulierungsperiode ausgeht. Hierfür spricht auch, dass sich die BNetzA für das Korridormodell - anders als für das Wahlmodell - kein nachträgliches Begründungserfordernis für die Abschreibungsentscheidung der Netzbetreiber vorbehält. Der Vorteil des „Korridormodells“ liegt darin, dass der jährlich anzusetzende Abschreibungswert innerhalb der Grenzen des Korridors von Netzbetreibern frei bestimmt werden kann. Der Nachteil besteht darin, dass ein gemeinsamer Wert für alle Anlagen innerhalb einer Gruppe aus Anlage 1 GasNEV und Zugangsjahr zu bestimmen ist. Demgegenüber entspricht das „Wahlmodell“ den bisherigen Forderungen der Branche nach einer degressiven und einer an die vor dem Hintergrund der Dekarbonisierung verkürzten Nutzungsdauern angepassten Abschreibung für jedes Anlagegut und ist zugleich ein zukunftstaugliches Modell.

Das Thema Sonderabschreibungen bedarf sicher einer vertieften Erörterung, auch wenn die BNetzA hierzu leider keine Fragen an die Branche richtet. Dabei scheinen jedenfalls klare Regelungen hierzu unerlässlich. Insbesondere bei Netzübernahmen gibt es ein Interesse an einer fundierten Risikobewertung für Sonderabschreibungen. Zudem stehen dort regulatorisch nicht anerkannten Sonderabschreibungen keine höheren Gewinne aus den Jahren vor der Netzübernahme gegenüber, sodass auch ein möglicher Kompensationsgedankte hier wegfällt. Damit wird der beschriebene Fehlanreiz nicht bereits dadurch behoben, dass Netzbetreiber das Risiko von Sonderabschreibungen tragen. Umgekehrt wird hierdurch eine vollständige Abschreibung der Investitionen in dem Zeitraum angereizt, indem die Leitungen für den Erdgasnetzbetreib genutzt werden, auch wenn möglicherweise eine Weiternutzung als Wasserstoff- oder Biomethannetz geplant ist. Dies entspricht nicht dem Ziel möglichst niedriger Netzentgelte für Erdgaskunden.

Die BNetzA schließt ihr Eckpunktepapier mit der Ankündigung, die Erkenntnisse aus der Umsetzung der kommenden Festlegung „KANU 2.0“ und die fortschreitende Planung der Wärmewende bei der Ausgestaltung der Abschreibungsregeln zu berücksichtigen, die ab der fünften Regulierungsperiode (ab 2028) gelten werden. Damit wird nochmals der provisorische Charakter der geplanten Festlegung deutlich und Erwartungen an ein verlässliches Abschreibungssystem gedämpft.

 

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